ORDINARIAT FÜR LUTHERANER

Die vom Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, erwogene Möglichkeit eines Ordinariats für Lutheraner gibt der Ökumene eine neue, bisher nicht vorstellbare Dimension und einen neuen Impuls für das ökumenische Gespräch. Die entscheidende Frage ist: kann ein Lutheraner in einem lutherischen Ordinariat innerhalb der röm.-kath. Kirche leben, ohne seine „lutherische Identität“ zu leugnen, und was bedeutet es, dass die kath. Kirche den Lutheranern erlauben könnte, „die legitimen Traditionen, die sie entwickelt haben, beizubehalten“? Hier besteht Klärungsbedarf.Es gibt im weltweiten Luthertum eine nicht näher zu beziffernde Zahl von Einzelnen und Gruppen von Lutheranern, die die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft mit der kath. Kirche suchen, ohne konvertieren zu müssen. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass Luther keine Kirchenspaltung, sondern eine Reform der Kirche wollte, und dass die durch das 2. Vatikanische Konzil veränderte kath. Kirche von heute nicht gleichzusetzen ist mit der desolaten Kirche, wie sie zur Zeit Luthers herrschte. Mancher sieht das Zentrum des christlichen Glaubens und der lutherischen Reformation in der „real existierenden luth. Kirche“ schlechter aufgestellt als in der kath. Kirche.

Ein großer Teil der luth. Kirchen würde allerdings in dem Ordinariat für Lutheraner ein Modell der sog. „Rückkehrökumene“ (zurück nach Rom) sehen und diese Form der Ökumene ablehnen.

Der offizielle ökumenische Dialog der luth. Kirche mit Rom stagniert. Evangelischerseits bedeutet Ökumene heute, lediglich gegenseitige Anerkennung dessen was ist, ohne die Fragen nach der Wahrheit in Glauben und Lehre zu stellen und zu bearbeiten und das Ziel einer Gesamtkirche im Auge zu behalten. Somit tritt die Ökumene auf der Stelle. Erschwerend kommt hinzu, dass die evangelische Kirche ihre reformatorische Identität im Sog von Säkularisierung und Zeitgeist gefährdet und durch ihren Pluralismus ein unberechenbarer ökumenischer Gesprächspartner ist.

Ein intensiver ökumenischer Dialog, der die Frage nach der Wahrheit einschließt, ist dringend geboten. Dieser Prozess bedeutet hartes theologisches Arbeiten unter Anrufung des Heiligen Geistes. Er verändert und bewegt, geht über das gegenseitige Sichbestätigen  und Anerkennen hinaus. Die gegenwärtige nette „Begrüßungsökumene“ muss sich zur theologischen „Arbeitsökumene“ entwickeln, die neu um die Wahrheit ringt. Schließlich wollte Jesus die eine Kirche. In der Christuszentrierung hat die wahre Ökumene ihre große Chance. Daher gilt es, eine christuszentrierte-trinitarische Bekenntnisökumene anzustreben und zu leben, wo die elementaren gemeinsamen Bekenntnisgrundlagen in ihrer heutigen Gefährdung vertieft werden. Die gemeinsame Zentrierung auf die Mitte des Glaubens ermutigt auf dem Weg zur Einheit. Die Lutheraner sind für die Ökumene ein großer Gewinn, wenn sie wirklich Lutheraner im Sinne Luthers sind.

Pastor Ulrich Rüß